Zeit
der Jahrestage beim Maler Franz Radziwill - Knapp vierzig Jahre nach seinem
Tod am 12. August 1983 geriet Radziwill einmal mehr in den Fokus der Öffentlichkeit:
Das Oldenburgische Staatstheater brachte ein Stück auf die Bühne,
in dem erstmals Interviewpassagen präsentiert wurden, in denen der
Maler noch mehr als dreieinhalb Jahrzehnte nach Ende des Nationalsozialismus
seine unverändert antisemitische Grundeinstellung herausstellte.
Und rund neunzig Jahre ist
es her, dass Franz Radziwill das Winterbild ›Inselbrücke in Wilhelmshaven‹
malte. Das Gemälde passt in die NS-Zeit, denn es ist militaristisch
geprägt. Es zeigt den Hafen der deutschen Reichsmarine mit zwei Kriegsschiffen,
darunter das weltweit modernste, das sogenannte Panzerschiff ›Deutschland‹,
im zeitgenössischen Sprachgebrauch ein »Wunderschiff«.
Ein weiteres zentrales Bildmotiv
ist ein Zeitungsleser, dessen Bedeutung die Kunstgeschichte bislang nicht
befriedigend erklären konnte. Da das Zeitungsmotiv ein Schlüsselelement
der Gemäldedeutung ist, wurde mit Hilfe einer digitalen historischen
Medieninhaltsanalyse untersucht, welche Rolle das Panzerschiff ›Deutschland‹
in den zeitgenössischen Zeitungen spielte. Zeigen sich in der Presse,
die zur Entstehungszeit von Radziwill Gemälde erschien, Inhalte,
die zur Deutung beitragen können? Der Rückgriff auf die Politik-
und Mediengeschichte klärt, wie sich der Zeitungsleser in den militaristischen
Bildzusammenhang einsortieren lässt.
Um die ideologischen Grundlagen
des Malers zu klären, wird zunächst beschrieben, in welchem Verhältnis
Radziwill zur deutschen Reichsmarine stand sowie welche Sicht er auf Kriegsschiffe
und die nationalsozialistische Flottenpolitik hatte. Im folgenden Kapitel
wird geschaut, wie sich die Inselbrücke in Wilhelmshaven in die zeitgenössische
Flottenpolitik einsortierte. Wie gut passten der sich Bahn brechende nationalsozialistische
Militarismus und Radziwills Vorstellungen von der Zukunft der deutschen
Marine zusammen?
Um die dramaturgische Rolle
des Zeitungslesers zu klären, wird anschließend im vierten Kapitel
eine digitale Analyse der Inhalte der zeit-ge-nössischen Presse vorgenommen,
die in den Monaten nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler
bis zur Vollendung des Gemäldes im Winter 1933/34 erschien. So soll
geklärt werden, ob sich in der Berichtserstattung Anhaltspunkte finden,
die zur Deutung der Funktion des Zeitungslesers beitragen können.
Diese Analyseergebnisse
werden sodann im fünften Kapitel in die damalige nationalsozialistische
Pressepolitik eingeordnet. Im sechsten Kapitel folgt eine Analyse der im
Verlauf des Jahres 1933 revidierten nationalsozialistischen Rüstungspropaganda
und der damit einhergehenden veränderten Pressepolitik.
Im letzten Kapitel wird
schließlich erörtert, welche Konsequenzen sich auf der Basis
der medienpolitischen Analysen für die Deutung von Radziwills Zeitungsleser
ziehen lassen.
Matysiak,
Stefan (2023): Zeitungsleser im Kriegshafen. Franz Radziwills Inselbrücke
in Wilhelmshaven und die Presse im Nationalsozialismus. Eine digitale historische
Medieninhaltsanalyse. Mit 17 Abbildungen. Norderstedt: BoD. ISBN 978-3-7528-7968-1
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Inhaltsverzeichnis
- Radziwills militaristischer
Seeblick
- Die Inselbrücke
und der nationalsozialistische
militärische
Aufbruch
- Das Panzerschiff in der
NS-Presse nach Hitlers
Machtantritt
- Die NS-Pressepolitik
im ersten Jahr von Hitlers
Reichskanzlerschaft
- Der Wandel der nationalsozialistischen
Presse-
propaganda 1934
- Der Zeitungsleser aus
dem Reichskriegshafen
- Kurzfassung |
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