Stefan Matysiak: Die Wiedergeburt der Hildesheimer Lokalpresse 1945
 

(Eine Langfassung dieses Themas mit Anmerkungen, Quellen und Abbildungen erschien im Hildesheimer Jahrbuch Bd. 74/2002, S. 217-238)

Inhalte:
- Britische Heeresgruppenpresse in Nord- und Westdeutschland, 
- Auflagen aller britischen Heeresgruppenzeitungen, 
- Erscheinungszeiträume,
- Funktion und Aufgaben, 
- lokale Ausdifferenzierung, 
- Ausgabe Hildesheim des Neuen Hannoverschen Kuriers.
 

Gliederung:

Die britische Heeresgruppenpresse
Die regionale Ausdifferenzierung der Heeresgruppenzeitungen in Niedersachsen
Heeresgruppenpresse in Hildesheim
 

Als das Deutsche Reich im Frühjahr 1945 zusammenbrach, ging auch die nationalsozialistische Presse unter. Norddeutschland wurde von Briten und Amerikanern besetzt. Die von dem britischen Feldmarschall Montgomery befehligte kanadisch-britische 21. Heeresgruppe eroberte ein Gebiet, das von Ostfriesland und dem Land Oldenburg über das Elbe-Weser-Dreieck und die Lüneburger Heide bis nach Hamburg und Schleswig-Holstein reichte. Die 12. Heeresgruppe von US-General Eisenhower kam in den südhannoverschen Raum mit Hildesheim sowie nach Braunschweig, übergab diese Gebiete jedoch Anfang Juni 1945 an die britische Besatzungsmacht. Beim Einrücken der westalliierten Truppen mussten alle noch erschienenen Zeitungen schließen: Briten und Amerikaner setzten einen weitgehenden Blackout der Presse durch (Übersicht 1). Die deutschen Zeitungen, die auch in Niedersachsen bis zuletzt den Endsieg beschworen hatten, sollten keinerlei nationalsozialistische Propaganda mehr veröffentlichen können.
 
Phase 1 Blackout Schließung aller deutschen Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk, Theater etc.
Phase 2 Heeresgruppenzeitungen Herausgabe von deutschsprachigen Zeitungen allein durch alliiertes Militär
Phase 3 Lizenzpresse Lizensierung von Zeitungen, die von deutschen Redakteuren und Verlegern verantwortet wurden
 Übersicht 1: Die 3 Phasen der westalliierten Pressepolitik

Nach der Schließung aller deutschen Zeitungen gingen die Alliierten in einer zweiten Phase ihrer Pressepolitik dazu über, eigene deutschsprachige Nachrichtenblätter herauszugeben, die direkt von der Armee hergestellt wurden und nach ihren Herausgebern den Sammelnamen Heeresgruppenzeitungen tragen. Deutsche sollten für eine Übergangszeit von jeder Mitarbeit in den Medien ausgeschlossen bleiben und alle Redakteure und Verleger, die im NS-Staat Zeitungen hergestellt hatten, für längere Zeit ein Berufsverbot erhalten.

In einer dritten Phase des Presseneuaufbaus wurden die Heeresgruppenblätter (im amerikanischen Machtbereich ab August 1945 und in der britischen Zone ab Januar 1946) schrittweise durch Zeitungen ersetzt, bei denen Deutsche die verlegerische und redaktionelle Verantwortung trugen. Zu diesen nach ihrem Genehmigungsverfahren Lizenzzeitungen genannten Blättern gehörten in der amerikanischen Zone die heute noch bestehende Frankfurter Rundschau oder die Süddeutsche Zeitung und in der britischen Zone die Nordwest-Zeitung oder die Braunschweiger Zeitung. Die Lizenznehmer durften zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich nicht bei einer Zeitung gearbeitet haben.
 

Die britische Heeresgruppenpresse

Die Verbreitungsgebiete der britischen Heeresgruppenzeitungen und insbesondere ihrer Lokalausgaben waren bislang nur grob bekannt. Insgesamt erschienen auf dem Gebiet der britischen Militärverwaltung neben einer anfangs herausgegebenen überregionalen Zeitung namens Mitteilungen 19 regionale Heeresgruppenblätter (Übersicht 2) sowie zusätzlich die am 2. April 1946 gegründete überregionale Welt.
 
Heeresgruppenzeitung
Erscheinungszeitraum 
 
von
bis
Norddeutsche Zeitung (Hamburg)
14. September 45
20. September 45
Braunschweiger Neue Presse
12. Oktober 45
7. Januar 46
Lüneburger Post
6. August 45
11. Januar 46
Kölnischer Kurier
2. April 45
26. Februar 46
Ruhr Zeitung (Essen/Dortmund)
12. Mai 45
27. Februar 46
Neue Rheinische Zeitung (Düsseldorf)
18. Juli 45
27. Februar 46
Hamburger Nachrichtenblatt
9. Mai 45
28. März 46
Lübecker Nachrichtenblatt
10. Mai 45
28. März 46
Flensburger Nachrichtenblatt
11. Mai 45
28. März 46
Kieler Nachrichtenblatt
4. Juni 45
30. März 46
Neue Hamburger Presse
9. Juni 45
30. März 46
Lübecker Post
25. Juli 45
30. März 46
Nordwest-Nachrichten (Oldenburg)
2. Juni 45
24. April 46
Der Berliner
2. August 45
1. Mai 46
Hannoversches Nachrichtenblatt
2. Juni 45
31. Mai 46
Neues Oldenburger Tageblatt
2. Juni 45
31. Mai 46
Kieler Kurier
25. Juli 45
30. Juni 46
Neuer Hannoverscher Kurier
29. Mai 45
16. Juli 46
Neue Westfäl. Zeitung (Bielefeld/Oelde)
19. Mai 45
30. Juli 46
Osnabrücker Rundschau
1. März 46
15. September 46
 Übersicht 2: Nachweisbare Erscheinungsdauer der regionalen britischen Heeresgruppenpresse 1945-1946, sortiert nach ihrem Einstellungsdatum.

Bei diesen Zeitungen handelte es sich um Organe der Besatzungsarmee, die ihren offiziellen Charakter durch Untertitel wie "Nachrichtenblatt der Alliierten Militär-Regierung" oder "Herausgegeben von den britischen Militärbehörden" verdeutlichten. Die Militärverwaltung brauchte diese Blätter zur Steuerung der durch Krieg und Flucht umgewälzten Bevölkerung. Die Zeitungen sollten das Chaos im zusammengebrochenen Hitlerreich ordnen helfen, sie druckten Befehle und gaben die Aufhebung der alten NS-Gesetze bekannt. Die Leser wollten schwarz auf weiß und regelmäßig über die Gültigkeit von Lebensmittelmarken und die Dauer der Ausgangssperren informiert werden. Für diese Aufgaben eigneten sich vor allem Zeitungen. Neben diesen praktischen Zielen hatten die britischen Redaktionen, so Generalmajor W.H.A. Bishop, Chef der britischen Informationskontrolle PR/ISC (Public Relation/Information Services Control), die propagandistischen Aufgabe, den Aufbauwillen der Bevölkerung zu stärken und nicht zuletzt Vertrauen in die Besatzungstruppen zu erzeugen: "Feldmarschall Montgomery hat gesagt, daß wir helfen müssen, bei der deutschen Bevölkerung Müßigkeit, Langeweile und Angst vor der Zukunft zu überwinden. Wir müssen der deutschen Bevölkerung daher ein Gefühl für Orientierung, Zielsetzung und Verantwortlichkeit geben." In der zweiten Jahreshälfte 1945 übernahm die Heeresgruppenpresse als publizistische Aufgabe verstärkt die Umerziehung und die Aufklärung über die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Ihr Inhalt umfasste nationale und internationale Meldungen und Berichte, ein Feuilleton und Wirtschaftsnachrichten, amtliche Bekanntmachungen sowie Anzeigen. Im Laufe der Zeit kamen Kinder-Rubriken und spezielle Angebote für Frauen hinzu. Ab Herbst 1945 nahm die Berichterstattung über das Nürnberger Militärtribunal und über den Bergen-Belsen-Prozess breiten Raum ein. Die Zeitungen hatten vier bis sechs Seiten und erschienen anfangs zumeist wöchentlich, später zweimal in der Woche. In den ersten Wochen wurden sie verschenkt, später waren 20 Pfennig zu bezahlen. Die Auflagen pendelten zwischen 10.000 und 1.000.000 Exemplaren (Übersicht 3), wobei je ein Zeitungsexemplar auf fünf etwa Einwohner kam.
 
Heeresgruppenzeitung
Auflage Ende Oktober 1945
Flensburger Nachrichtenblatt
12 500
Kieler Kurier
210 000
Kieler Nachrichtenblatt
17 500
Lübecker Post
156 000
Lübecker Nachrichtenblatt
47 600
Neue Hamburger Presse
402 500
Hamburger Nachrichtenblatt
108 100
Lüneburger Post
178 900
Neuer Hannoverscher Kurier
433 000
Hannoversches Nachrichtenblatt
22 500
Braunschweiger Neue Presse
150 500
Neues Oldenburger Tageblatt
40 100
Nordwest-Nachrichten (Oldenburg)
301 000
Osnabrücker Rundschau
a (120 000)
Der Berliner 
300 000
Neue Westfäl. Zeitung (Bielefeld/Oelde)
1 000 000
Neue Rheinische Zeitung (Düsseldorf)
520 000
Kölnischer Kurier
370 000
Ruhr Zeitung (Essen/Dortmund)
500 000
  Übersicht 3: Die Auflagen der regionalen britischen Heeresgruppenzeitungen (Herbst 1945)
  a: Erst ab März 1946 erschienen.

Anders als die amerikanische Heeresgruppenpresse bestimmten ihre britischen Pendants für einen vergleichsweise langen Zeitraum die politische Landschaft. Während die US-Armee ihre Heeresgruppenzeitungen früh durch von Deutschen verantwortete Blätter ersetzte (als erstes die Frankfurter Rundschau am 1.8.45; für Bremen und das niedersächsische Umland ab 15.9.45 der Weser-Kurier), begannen die Briten erst Anfang 1946 mit der Schließung ihrer Heeresgruppenpresse und der ersatzweisen Lizensierung deutscher Zeitungen (Braunschweiger Zeitung und Lüneburger Landeszeitung). Zwar hatten die Briten ebenfalls bereits Ende August 1945 die Erteilung von Lizenzen an deutsche Verleger angekündigt, die Umsetzung dieser Ankündigung geriet jedoch immer wieder ins Stocken und die Schließung der Heeresgruppenzeitungen zog sich hin. Die letzte britische Heeresgruppenzeitung wurde erst im März 1946 in Osnabrück gegründet (Übersicht 2).

Bis Anfang Januar 1946 genehmigte die britische Militärregierung - anders als auf amerikanischer Seite - keine eigenverantwortlich von Deutschen geführten Zeitungen, sondern beschritt einen eigenen Weg bei der Wiederbeteiligung Deutscher an der Pressearbeit. Die britischen Presseoffiziere legten "großen Wert auf die behutsame Wiederherstellung des Verhältnisses der Deutschen zur Demokratie [...], indem sie die Bevölkerung allmählich wieder an eine freie Presse heranzuführen beabsichtigten". Die Genehmigung deutscher Zeitungen sollte "sich nur schrittweise vollziehen" und vor allem die Auswahl der neuen Verleger und Redakteure "mit der größten Sorgfalt" erfolgen.

Zwar bekamen Deutsche in der britischen Zone nicht sofort eigene Zeitungen genehmigt, wurden dafür aber anders als bei den Amerikanern frühzeitig voll in die Arbeit der von der Armee herausgegebenen Zeitungen integriert. Anfang Juli 1945, als die US-Alliierten deutschen Redakteuren noch verantwortungsvolle Aufgaben verweigerten, erschien das britische Armeeblatt Neue Westfälische Rundschau bereits unter einem deutschen Chefredakteur. Die Produktion des Kölnischen Kuriers und der Ruhr Zeitung wurden im August 1945 einer deutschen Redaktion übertragen, und auch der Neue Hannoversche Kurier bekam mit Walter Spengemann einen deutschen Chefredakteur. Da in ihren Heeresgruppenblättern deutsche Redaktionen arbeiteten, fühlten sich die britischen Besatzungsbehörden anders als die Amerikaner "offenkundig sehr viel weniger dazu veranlaßt", deutschen Verlagen vollständig die Verantwortung für die Zeitungsproduktion zu übertragen, was die rechtliche Abnabelung der von der Armee kontrollierten Presse weiter hinausschob.

Die gegenüber den US-Militärs verzögerte Genehmigung eigenständiger deutscher Zeitungen wurde zusätzlich durch einen Wechsel in der Pressepolitik gehemmt: Die Briten entschieden sich im Herbst 1945 dafür, im Zuge der 3. Phase der britischen Zeitungspläne (Übersicht 1) ihre Heeresgruppenblätter nicht wie zuvor geplant (und von den USA auch umgesetzt) durch überparteiliche Zeitungen zu ersetzen, sondern parteinahe Blätter zu lizensieren. Bevor die Presse vollständig in deutsche Hände übergeben werden konnte, mussten somit erst die noch fehlenden politischen Vorschriften über die Gründung neuer Parteien abgewartet werden.

Mit dem Konzept von parteinahen sogenannten 'Parteirichtungszeitungen' wollte die Besatzungsmacht in der Nach-Hitler-Ära die deutsche Bevölkerung den demokratischen Wettbewerb üben lassen und so einen Beitrag zur demokratischen Umerziehung leisten. Die Deutschen sollten lernen, sich auf der Grundlage mehrerer politisch unterschiedlich gefärbter Zeitungen eine eigene Meinung zu bilden. Diese Pressepolitik der Briten verlangte, dass für jede Parteirichtung ein eigenes Blatt lizensiert wurde. Die Auflagen wurden später entsprechend des Stimmenverhältnisses der Reichstagswahlen von 1932 festgesetzt und entsprechend des Erfolgs der Parteien bei den ersten Landtagswahlen korrigiert. Überparteiliche Zeitungen sollten lediglich dort erscheinen, wo die Bevölkerungsdichte zu gering war, um mehreren Blättern das Leben zu ermöglichen.

Bereits im Herbst des Jahres 1945 war jedoch klar geworden, dass die Realisierung einer großer Zahl von Zeitungen aus Versorgungsgründen sehr schwer werden würde. "Die grosse Papiernot mache es unwahrscheinlich, alsbald mit der Zulassung unserer Parteipresse zu rechnen", notierte etwa im Oktober 1945 die SPD nach einer Konferenz sozialdemokratischer Verlags- und Pressevertreter. Denn unter dem Strich bedeutete dieses auf Vielfalt zielende Konzept von miteinander konkurrierenden Parteizeitungen eine Verdreifachung des Presseangebotes. Angesichts der "Hemmnisse der Trümmergesellschaft" und insbesondere wegen der extremen Papierknappheit mussten die britischen Pläne schnell an ihre Grenzen stoßen. In der britischen Zone existierte lediglich eine Papiermühle, die jedoch beschädigt worden war. Die Erteilung einer größeren Zahl von Zeitungslizenzen für deutsche Verleger setzte deshalb einige Reparaturmaßnahmen an der Papierfabrik voraus und konnte deshalb lediglich "parallel zur Kapazität der Feldmühle" erfolgen.

Die Ablösung der britischen Heeresgruppenpresse verzögerte sich zusätzlich durch den Wechsel der Regierung in London und die Demobilisierung der britischen Armee, was zu einer hohen Fluktuation und häufigem Wechsel der verantwortlichen Besatzungsoffiziere führte. Die Folge waren häufige Unterbrechungen der Diskussionsprozesse und Pausen bei der Umsetzung der Genehmigungsverfahren.

Wegen der nur langsamen Zulassung deutscher Zeitungen war den britischen Heeresgruppenblättern anders als ihren amerikanischen Pendants kein schnelles Ende bestimmt, sondern sie erhielten einen auf viele Monate angelegten Erziehungs- und Bildungsauftrag zugewiesen. Diese längerfristige publizistische Aufgabe machte es notwendig, dass sich die Besatzungsoffiziere bei ihren Zeitungen intensiver verlegerisch engagierten. Die einzelnen Heeresgruppenzeitungen experimentierten mit unterschiedlichen Layouts und versuchten auch die Landbevölkerung zu erschließen. In der Folge kam es deshalb zu einer starken regionalen und später lokalen Ausdifferenzierung der britischen Heeresgruppenpresse, die in der amerikanischen Besatzungszone unbekannt war.
 

Die regionale Ausdifferenzierung der Heeresgruppenzeitungen in Niedersachsen

Noch Anfang Mai 1945 war die Bevölkerung des späteren Landes Niedersachsen lediglich über das überregionale Heeresgruppenblatt Die Mitteilungen informiert worden, das zu Beginn der zweiten Phase der alliierten Pressepolitik durch die Briten im gesamten norddeutschen Raum vertrieben wurde und das in einer eigenen Ausgabe auch im amerikanischen Machtbereich erschien. Diese überregionale Zeitung wurde bald durch Heeresgruppenzeitungen ersetzt, die lediglich regionale Verbreitungsgebiete hatten.

Die erste dieser regionalen Heeresgruppenzeitungen war in Norddeutschland bereits am 4. Mai 1945 von der US-Armee herausgegeben worden, der im amerikanisch besetzten Braunschweig produzierte Braunschweiger Bote. Als die Briten Anfang Juni 1945 das Land Braunschweig und den Süden der Provinz Hannover von den Amerikanern übernahmen, wurde der Braunschweiger Bote jedoch aus Papiermangel wieder eingestellt.

Die regionale Heeresgruppenpresse der britischen Besatzungsmacht startete auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen erst am 29. Mai 1945 mit dem Neuen Hannoverschen Kurier und am 6. Juni mit den Nordwest-Nachrichten in Oldenburg. Hildesheim gehörte dabei zum Verbreitungsgebiet des Neuen Hannoverschen Kuriers. Für die Insassen der Kriegsgefangenenlager wurden zudem in ganz Norddeutschland verschiedene eigene Nachrichtenblätter herausgegeben, darunter das nicht nur in den Gefangenenlagern sondern auch im Stadtgebiet von Hannover vertriebene Hannoversche Nachrichtenblatt.

Auch der westliche Teil des heutigen Landes Niedersachsen bekam mit den abwechselnd erschienen Nordwest-Nachrichten und dem Neuen Oldenburger Tageblatt eigene Heeresgruppenblätter, die bereits Mitte Juli 1945 jeweils über die vier Teilausgaben Oldenburg/Wilhelmshaven, Ostfriesland, Osnabrück und Emsland verfügten. Zum 1. März 1946 gliederte die Militärverwaltung hieraus als eigenständiges Nachrichtenblatt die Osnabrücker Rundschau aus.

Insgesamt sollten die britischen Besatzungsbehörden für das Gebiet des späteren Landes Niedersachsen sieben nach Regionen betitelte Nachrichtenblätter herausgeben, ein weiteres Blatt (die Neue Westfälische Zeitung aus Oelde) kam zusätzlich kurzzeitig aus Westfalen herüber. In der damaligen amerikanischen Enklave Bremen, die neben der Hansestadt samt Bremerhaven damals auch das heute zu Niedersachsen gehörende Umland mit den Landkreisen Osterholz, Wesermarsch und Wesermünde umfasste, berichtete der US-amerikanische Weser-Bote.

Mit der wachsenden Zahl von Nebenausgaben reagierten die Militärbehörden auf Forderungen der deutschen Bevölkerung nach regionaler und lokaler Information. Die neue Osnabrücker Rundschau, so erläuterte etwa die Militärverwaltung anlässlich des Neuerscheinens der britischen Armeezeitung, erscheine "für die Leser des hannoverschen Regierungsbezirks Osnabrück, denen damit ein langgehegter Wunsch erfüllt ist: Unabhängig von benachbarten Wirtschaftsgebieten besitzen sie nunmehr ihre eigene Zeitung".

Bei der Pressepolitik der Militärregierung wird dabei die Tendenz erkennbar, die Pressestruktur erst den Regierungsbezirken und Ländern auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen anzupassen und später Teilausgaben mit Wechselseiten für noch kleinere Erscheinungsgebiete herauszugeben. Da die Verbreitungsgebiete der späteren Lizenzzeitungen ebenfalls mindestens einen Regierungsbezirk umfassen sollten, kann in dieser regionalen Ausdifferenzierung der Heeresgruppenpresse eine Vorbereitung auf die später eigenverantwortlich von Deutschen getragene Presselandschaft gesehen werden.

Beiträge mit den lokalen Informationen aus 'Stadt und Land' fanden sich in der Regel jeweils auf der dritten Seite der Heeresgruppenzeitungen: "Sie diente im eigentlichen Sinne als Mitteilungsblatt der örtlichen Militärregierung oder der Kommunalverwaltung." Der lokale und regionale Bezug wurde im Blattinneren jeweils durch besondere Vignetten kenntlich gemacht, beispielsweise bei der Ausgabe Braunschweig des Neuen Hannoverschen Kurier durch das Löwendenkmal mit Till Eulenspiegel, in der Ausgabe Hannover durch die Marktkirche und ein Niedersachsenhaus sowie in Hildesheim durch das Knochenhaueramtshaus mit Marktbrunnen.

Anfangs hatten die Beiträge auf diesen Seiten weniger ein lokales als ein bezirkliches Berichtsgebiet. Die Hannoversche Bezirksseite enthielt in den ersten Wochen auch Beiträge aus Hameln oder Rotenburg, die Hildesheimer Bezirksseite berichtete auch aus Peine, Göttingen oder Hann.-Münden. Die Leserschaft in Verden musste deshalb davon lesen, dass im 100 km entfernten Hameln nur im Schichtdienst unterrichtet werden konnte, weil in der dortigen Schule noch ein Lazarett untergebracht war. Umgekehrt war bis hinunter nach Göttingen zu erfahren, dass auf der anderen Harzseite der städtische Chor aus Peine seine Singabende wieder aufgenommen hatte.

Für den Umfang an lokalen Meldungen bedeuteten die großen Berichtsgebiete große Nachteile: Die ländliche und kleinstädtische Bevölkerung abseits der Redaktionszentren fand nur sporadisch die sie direkt betreffenden Informationen, was zu Kritik und Beschwerden führte. Für die meisten Leser hatten die Lokalmeldungen aus fremden Orten nur einen geringen Nachrichtenwert. Die Militärverwaltung begründete diese breit verstreute lokale Berichterstattung "aus einer Stadt in einem völlig verschiedenen Bezirk" vor allem mit dem der Nachkriegswirtschaft herrschenden Papiermangel und den zerstörten Druckkapazitäten, aber auch mit der zerstörten Verkehrsinfrastruktur.

Indem nach und nach die britische Militärregierung Lokalausgaben einrichtete, bekam die niedersächsische Bevölkerung endlich die Gelegenheit, die sie direkt betreffenden lokalen Ereignisse zu verfolgen.


Heeresgruppenpresse in Hildesheim

Die erste Hildesheimer Lokalseite der Nachkriegszeit erschien am 20. Juli 1945 im Neuen Hannoverschen Kurier. Das britische Blatt war bereits seit dem 29. Mai erschienen, hatte jedoch in der ersten Zeit nur vereinzelt auch aus Hildesheim berichtet. Zwar konnte die Leserschaft der Domstadt auf einer der zumeist vier Seiten lokale Informationen finden, doch die meisten stammten aus irgendwelchen anderen norddeutschen Städten. Nach der Gründung eine Braunschweiger Lokalausgabe Ende Juli, die auch in Hildesheim und im südhannoverschen Raum vertrieben wurde, erschienen in der Domstadt für anderthalb Wochen gar nur noch Lokalseiten aus Braunschweig.

Als schließlich am 20. Juli 1945 die erste Hildesheimer Regionalseite nach dem Krieg erschien, lautete ihre Schlagzeile: "Neues Leben regte sich in Hildesheim". Der dazugehörige Beitrag beschrieb die Aufbauleistungen in den Bereichen Wirtschaft und Kultur: Die Wiedereröffnung zweier Kinos wurde angekündigt und gemeldet, dass der Sportbetrieb zaghaft wieder begonnenen hatte. Daneben fand sich ein Portrait des neuen Regierungspräsidenten Julius Hange und eine halbe Seite mit den von der Bevölkerung lange vermissten Familienanzeigen.

Die Zeitungen standen ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Mit einer breiten Verwendung von Begriffen wie 'Aufbau', 'Wiedereröffnung' oder 'Wiederbeginn' sollten der Bevölkerung die bereits erfolgten Verbesserungen des öffentlichen Lebens und der Versorgung vor Augen geführt werden. Diese Schlüsselworte fanden daher auch in den nächsten Nummern eingehend Verwendung, etwa indem unter der Schlagzeile "Sportlicher Anlauf in Hildesheim" über das erste Fußballspiel der Domstadt berichtet wurde. Damals schlug eine, so der Neue Hannoversche Kurier, technisch überlegene Hildesheimer Jugend eine Auswahl aus Harsum mit 7:2. Wie die meisten Beiträge wurden vor allem in den ersten Monaten selbst Sportberichte von der Redaktion für die Aufbaupropaganda genutzt und den Lesern darin die richtige Geisteshaltung vorgegeben: "Alle Sportler waren davon überzeugt, daß es nun auch auf dem Gebiete des Sportes wieder aufwärtsgehen wird."

Der Wunsch der Besatzungsmacht, die Bevölkerung immer wieder zum Ärmelaufkrempeln und Anpacken anzutreiben, war angesichts des totalen Zusammenbruchs und der Desorientierung, die der Krieg in vielen Köpfen hinterlassen hatte, nicht unverständlich. Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung war im August 1945 der Auffassung, dass ein wirtschaftlicher Neubeginn überhaupt keinen Sinn mehr mache. Mutlosigkeit und Passivität beherrschten die Trümmerfelder. Die Aufbaupropaganda entsprach in dieser Situation nicht der inneren Verfassung der Leserschaft, sondern sollte eine andere Verfassung schaffen. Die Instrumentalisierung der Zeitungen für die Umerziehung und ihr Charakter als offiziöse Mitteilungsblätter mussten deshalb zu einer sinkenden Akzeptanz bei den Lesern führen: "Die Zeitungen werden nicht sehr geschätzt, weil sie sich zu wenig mit den wirklichen Nöten und Sorgen der Bevölkerung befassen."

1946 wurden schließlich nach und nach die in Niedersachsen herausgegebenen Heeresgruppenblätter eingestellt und durch Zeitungen ersetzt, die keinen britischen Propagandaauftrag mehr hatten. Nach dem Ende des Neuen Hannoverschen Kuriers wurde die Hildesheimer Bevölkerung ab Anfang Juli 1946 durch die parteinahen Lizenzzeitungen Hannoversche Presse (sozialdemokratisch), Neueste Hannoversche Nachrichten (christdemokratisch), Abendpost (freidemokratisch), Deutsche Volkszeitung (der konservativen 'Niedersächsischen Landespartei' nahe stehend) und der Hannoverschen Volksstimme (kommunistisch) informiert, die ebenfalls unterschiedliche Regional- oder Lokalteile aufwiesen, aber aus Hannover oder Celle stammten.

Auf eine eigenständige Hildesheimer Zeitung musste die Bevölkerung noch gut drei Jahre warten. Die entstand mit der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung erst wieder im Oktober 1949, als die Briten mit Gründung der Bundesrepublik die vollständige Pressefreiheit gewährt hatten. Nach Erteilung dieser 'Generallizenz' konnten auch jene alteingesessenen Verleger wieder aktiv werden, für die während der Besatzungszeit wegen ihrer Beteiligung an der Pressepropaganda des Nationalsozialismus noch ein vollständiges Berufsverbot bestanden hatte.

(2009)
Lesen Sie auch 300 Jahre Hildesheimer Presse.

U.a. vom selben Verfasser:
- Die britischen Heeresgruppenzeitungen und die Wiedergeburt der 
   niedersächsischen Lokalpresse 1945/46. In: Osnabrücker Mitteilungen
   Bd. 107/2002, S. 233-251
- Während der Ost-West-Konfrontation vergessen! - In ostdeutschen 
   Kommunalarchiven schlummern noch unbekannte Zeitungen aus 
   der kurzen westalliierten Besatzungszeit. In: Archivalische Zeitschrift
   Bd. 84/2001, S. 397-412
- Die Entwicklung der ostdeutschen Tagespresse nach 1945. Bruch 
   oder Übergang? Dissertation zur Erlangung des sozialwissenschaftlichen 
   Doktorgrades der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität
   Göttingen. Göttingen 2004
 
 

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(c)  Matysiak, Stefan Matysiak
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